Samstag, 4. Februar 2023
Zum Zeitungsartikel vom 04.02.2023
Nichts gegen die altehrwürdige Lokalzeitung und gegen den Autor dieses Artikels – aber das Gedruckte enthält neben anderen Verdrehungen absurd entstellende Behauptungen über einen Kollegen, gegen die ich ihn in Schutz nehmen möchte. Ich fasse mich kurz, denn jedes Wort zuviel würdigt unnötig den unlauteren „Informanten“, der dem Autor solches Blech erzählt hat. Anschließend versuche ich dem üblen Fall etwas Positives abzugewinnen.
Warum hat die kirchliche Beratungsstelle einen Eisberg im Logo?:
Man soll es doch wohl so interpretieren: was die kirchliche Beratungsstelle an Schlechtem aufdeckt, ist „nur die Spitze des Eisbergs“. Nur ein Bruchteil des sich unten verbreiternden Bösen tritt ans Tageslicht.
Das Böse steckt in uns allen. Tief und groß.
Ich möchte das gar nicht in Abrede stellen.
Es kann sich ja schließlich jeder an seine eigene Nase fassen.
Aber warum droht die Kirche mit dem unsichtbaren breiten Bösen von unten? Ist sie nicht eher für Himmlisches zuständig?
Weil wir das Böse interessant finden sollen! – Diese Erklärung habe ich bei dem Menschenfreund, Maler und Schriftsteller Karl Ballmer gefunden. 1938 floh er aus Hamburg mit seiner jüdischen Frau vor der braunen Pest in sein Herkunftsland, die Schweiz zurück. Ende 1945 schrieb er für die sozialdemokratische Berner Tagwacht eine Glosse, in der er das kurz zuvor erschienene Buch von Max Picard „Hitler in uns selbst“ verreißt. Der kurze Text erklärt, warum die (im Beispiel allerdings katholische) Kirche so gerne mit dem in und unter uns wabernden Bösen hantiert – und vielleicht kann er Ihnen dicke Bücher über das „Kollektive Unterbewusste“ ersparen …
Um dies noch weiter zu verdeutlichen: Ballmer kannte Max Picard persönlich aus seiner Tessiner Nachbarschaft, und er kannte, wie er in einem Brief schreibt,
Das ist der Punkt. Das Denken, den Glauben, das persönlich-Ureigene abgeben zu wollen an etwas Größeres, eine Kirche, eine Demagogie, einen „Mainstream“, das „kollektive Unbewusste“ – verständlich ist diese menschliche Schwäche. Aber unsere Zeit fordert von uns genau das Gegenteil: versuchen, Ich zu sein; versuchen, Ich zu erleben. Sonst nimmt die Seele Schaden. Noch einmal Ballmer, ebenfalls 1945:
Soweit diese – nach einem Jahrhundert der Tiefenpsychologie recht unbequemen – Einsichten oder Ahnungen. „Der Tod dient der Seele“ – wer mag sich schon damit beschäftigen?
Also nach vorne geschaut, und nun kommt ein zugegeben bildhafter Gedanke: Wenn wir den Eisberg umdrehen, von unten nach oben, was haben wir denn dann?
Dann haben wir statt einer nach unten sich verbreiternden Fremdsteuerung eine sich nach oben öffnende Schale – und von dieser Schale sprach Rudolf Steiner in einer intimen feierlichen Viertelstunde zu den Lehrern der ersten Waldorfschule. Was gesprochen wurde, war nicht zur Veröffentlichung gedacht, ist aber Gott sei Dank dennoch aus der Erinnerung überliefert worden und lautet ungefähr so:
Wohlgemerkt: hier hat der Einzelne sein Eigenes nicht abgegeben, im Gegenteil. Denn der Engel steht für die Ich-Erkraftung, ohne die er nicht „wirken“ kann. Und ohne dieses vollverantwortliche auf den eigenen Beinen Stehen jedes Einzelnen (das Steiner als Voraussetzung für die Selbstverwaltung der Waldorfschule sah) gibt es keine Gemeinschafts-„Schale“, die dann etwas empfangen kann. Und diese Schale ist der Unterschied zur Eisberg-Kulisse. Dort, bei den Rechten oder Linken z.B., gibt es zwar auch Gemeinschafts-Feeling, nicht zu knapp. Jedoch das „Hätscheln“ und das „Kokettieren mit der Sünde“ bringt, so hört man, Unkosten mit sich: Machtspiele, Wildwuchs, Denunziationen …
Wer ist „mächtiger“, der durch den Eisberg wirkende Teufel oder das in der Schale zu empfangende „Zeitenlicht“? Möglicherweise liegt die Antwort schlicht darin, was wir interessanter finden können …
Und hoffen wir, dass es keine Titanic gibt, die durch das „Interessante“ des Eisbergs angezogen wird wie die Motten durch das Licht…
Update zum 05.05.2023 und zu den darauf folgenden Geschehnissen: Das Schiff wurde auf den Eisberg zugesteuert, und wir müssen mit den Konsequenzen leben. Ich nehme Abstand davon, weitere Artikel der ehrwürdigen Lokalzeitung zu kommentieren. Ich denke meine Position zum Gesamtkomplex, soweit sie die Öffentlichkeit betrifft, hinreichend angedeutet zu haben.